Regionale Wildpflanzen
Was ist Wildsaat- und Wildpflanzgut?
Als Wildpflanzen werden alle wildwachsenden, d.h. spontan auftretenden, Pflanzenarten unserer Umwelt bezeichnet. Die Mehrzahl der wildwachsenden Arten kommt bei uns seit Jahrtausenden oder Jahrhunderten vor. Wildpflanzen sind nicht durch menschliche Züchtung entstanden oder durch den Menschen mit Hilfe gezielter Auslese, Kreuzung oder anderer genetischer Verfahren bewusst verändert worden.
Wildsaatgut ist Saatgut von heimischen Wildpflanzen. Wildgehölze und Wildstauden sind daraus gezogene Pflanzen für den Pflanzeinsatz.
Wann sind Wildpflanzen VWW-Regiogehölze® VWW-Regiosaaten® oder VWW-Regiostauden®?
Aus Naturschutzsicht sollten der Herkunftsort des Ausgangssaatguts und der Verwendungsort möglichst ähnlich und benachbart sein. Dies gilt sowohl für Saatgut als auch für daraus gezogene Wildgehölze oder –stauden, die wir in diesem Fall als „gebietseigen“ bezeichnen.
Gebietseigene Pflanzen sind an die örtlichen Gegebenheiten, die sogenannten Standortfaktoren, optimal angepasst. Um den Begriff „gebietseigen“ transparent verwenden zu können, musste ein System von zugehörigen Räumen definiert werden.
Nach unseren Standards zertifizierte Gehölze nennen wir VWW-Regiogehölze®, zertifiziertes Saatgut VWW-Regiosaaten® und zertifizierte Stauden VWW-Regiostauden®.
Unsere Qualitätssiegel bürgen für kontrollierte regionale Erzeugnisse. Welche Auflagen dabei eingehalten werden müssen, können Sie detailliert in unseren Regelwerken nachlesen (Regelwerk VWW-Regiogehölze®, Regelwerk VWW-Regiosaaten®, Regelwerk VWW-Regiostauden®).
Für uns zählt Regionalität
Maßgeblich für den regionalen Bezug von gebietseigenen Gehölzen ist die am Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU) 2012 erstellte Karte mit 6 Vorkommensgebieten (BMU 2012, Leitfaden Gehölze).
Die vom VWW für Gräser und Kräuter verwendete Karte mit 22 Herkunftsregionen wurde in einem DBU-Forschungsprojekt in Zusammenarbeit mit der Uni Hannover erarbeitet (DBU 2010: Entwicklung und praktische Umsetzung naturschutzfachlicher Mindestanforderungen an einen Herkunftsnachweis für gebietseigenes Wildpflanzensaatgut krautiger Pflanzen – Abschlussbericht, Universität Hannover, Aktenzeichen DBU: 23931).
Nach wissenschaftlichen Kriterien wurde Deutschland in 22 Regionen unterteilt und Räume definiert, innerhalb derer die Sammlung und Ausbringung von Pflanzenarten der Definition „gebietseigen“ des BNatSchG genügen soll. Dieser Vorschlag wurde vom Gesetzgeber aufgegriffen und 2011 zur Definition der Ursprungsgebiete und Produktionsräume im Rahmen der sogenannten Erhaltungsmischungsverordnung (ErMiV) herangezogen.
Innerhalb einer Herkunftsregion bzw. eines Ursprungsgebietes können die Pflanzen an geeigneten Orten gesammelt und auf den meisten Standorten wieder ausgebracht werden. Extremstandorte, wie montane Lagen oder Salzstellen, müssen gesondert betrachtet werden.
Unsere Mitgliedsbetriebe vermehren in der Regel in der Nähe der Sammlungsorte. Damit sind für die Vermehrung ähnliche klimatische Bedingungen gegeben wie am Herkunftsort.
Der VWW strebt entsprechend den Vorschlägen des DBU-Projektes eine umfassende Versorgung mit regionalem Wildpflanzensaatgut in allen 22 Ursprungsgebieten an. Dennoch sind die Absatzmengen in den relativ kleinen Gebieten für einen wirtschaftlichen Anbau häufig nicht ausreichend.
Die deutschen Wildsaatgutproduzenten führen deshalb die 22 Ursprungsgebiete in 8 Produktionsräumen zusammen. In den Produktionsräumen ist aufgrund größerer Nachfrage eine betriebliche Entwicklung mit einem größeren Sortiment möglich. Dennoch können heute schon in mehreren der 22 Ursprungsgebiete nahezu vollständige Sortimente angeboten werden.
Bedenken Sie bitte:
- Der Bedarf an Saatgut in kleinen Regionen ist großen Schwankungen unterworfen, da projektbedingt der Absatz stark schwankt.
- Saatgut hat eine begrenzte Lagerfähigkeit. Was nach wenigen Jahren nicht abgesetzt wurde, muss entsorgt werden. Damit steigen die Kosten.
- Um die verschiedenen Standorte und Ansprüche abdecken zu können, sind größere Artenpaletten erforderlich. Daher sind die Produktionskosten für kleine Regionen in der Regel höher.
- In kleinen Regionen mit kleinen Produktionsmengen kann ein Großprojekt das gesamte Angebot abschöpfen. Für alle weiteren Anfragen steht dann kein regionales Saatgut mehr zur Verfügung. Oft reicht für Großprojekte das kleinregionale Angebot nicht aus.
Daher sind Konzepte, die eine hohe Zahl an Regionen und Produktionsstandorten umfassen, nach den heutigen Marktbedingungen unrealistisch und täuschen eine Verfügbarkeit vor, die bislang nicht existiert. Jeder zertifizierte Mitgliedsbetrieb ist verpflichtet, seine Herkünfte punktgenau zu dokumentieren und seinen Anbau und Verkauf nachvollziehbar aufzuzeichnen. Damit kann jede Saatgutpartie den kleinsten naturräumlichen Einheiten zugeordnet werden.
Zertifiziertes Regiosaatgut – aus der Natur für die Natur
Solange der Markt für Wildpflanzen erst im Aufbau ist, kann noch nicht für jedes Ursprungsgebiet gebietseigene Ware angeboten werden. Aber auch außerhalb des eigentlichen Ursprungsgebiets ist zertifiziertes Wildsaatgut häufig eine bessere Alternative als die Ausbringung von Zuchtformen oder Herkünften aus anderen Ländern. Saatgut solcher weit entfernten Herkünfte oder weit entfernter Vermehrungsflächen, z.B. Wiesenschafgarbe (Achillea millefolium) aus Australien, sind nicht für den Einsatz in der freien Landschaft geeignet. Genetische Unterschiede, fehlende Prüfbarkeit der Herkünfte und extreme Selektionen im Nachbau sind wichtige Gründe für den Ausschluss solcher Ware.
Kein Platz für Zuchtformen und invasive Neophyten
Der Einsatz von Wildformen muss auf Naturschutzflächen die bisher verwendeten Zuchtformen ersetzen. Dies wird vom BNatSchG verlangt und vom neuen Saatgutverkehrsrecht auch ausdrücklich erlaubt.
In Deutschland werden jedes Jahr in großem Umfang (mehrere tausend Tonnen!) züchterisch entwickelte Grassorten zur Begrünung in der freien Landschaft ausgebracht, z.B. Wiesenknauelgras (Dactylis glomerata) oder Deutsches Weidelgras (Lolium perenne). Diese Zuchtformen können in der freien Landschaft mehrere Generationen überleben oder sich sogar etablieren. Sie können sich dabei durch Wiederaussamen dauerhaft erhalten und in der Regel mit „wilden“ Herkünften derselben Art kreuzen. Damit belasten sie die ursprüngliche Entwicklung der bereits vorhandenen Wildformen oder verhindern diese sogar (vgl. z.B. Artikel von Frank & John). Unsere Landschaft wird durch diese Ansaaten immer ärmer und uniformer.
Das Einschleppen gebietsfremder Arten bedroht weltweit viele Ökosysteme. Viele Neophyten haben ihren Weg zu uns als Verunreinigung von Saatgut, das aus anderen Ländern oder Kontinenten stammt, gefunden. Einige davon behaupten sich auf bestimmten Standorten besser als alle heimischen Arten und verdrängen diese. Die Botaniker nennen sie „invasive Neophyten“, z.B. Drüsiges Springkraut (Impatiens glandulifera) oder Sachalinknöterich (Polygonum sachalinense). Solche Arten werden in unseren Betrieben nicht für die Saatgutproduktion verwendet (besuchen Sie hierzu auch die Seite des Bundesamtes für Naturschutz).